Zuckerfabrik

Entwicklung der Zuckerfabrik Barth

Um 1838 arbeiteten im deutschen Zollverein 152 Zuckerhersteller. Die Bezeichnung Fabrik konnte noch nicht verwendet werden. Als Antriebe standen nur die Muskelkraft, Göpelwerke (Pferdenutzung) und Ochsengespanne zur Verfügung. Die tägliche Rübenverarbeitung betrug je Betrieb 2 Tonnen / Tag. Erst die Einführung der Dampfmaschine als Antriebskraft ließ aus den Rübenverarbeitungsbetrieben echte Zuckerfabriken entstehen. Elektrizität stand zu dieser Zeit noch nicht zur Verfügung.

In Mitteldeutschland wurde der Neubau von Zuckerfabriken bereits 1850 in großer Anzahl vorgenommen. Im heutigen Mecklenburg-Vorpommern wurden die ersten Betriebe erst ab 1892 errichtet. Hierzu liegt eine vollständige Aufstellung vor. Die Landwirte erkannten hier eine Möglichkeit durch die Weiterverarbeitung ihrer Produkte die Gewinnspanne zu erhöhen. Gründer der Zuckerfabrik Barth waren Landwirte aus der Region (u. a. aus Löbnitz und Karnin). 1890 wurde eine Aktiengesellschaft gegründet. Es war Eile geboten, denn in Stralsund entstand gleichzeitig ein Konkurrenzunternehmen. Verkehrsanbindung durch die Bahn (1888 eröffnet) und der vorhandene Wasserweg begünstigten aus damaliger Sicht den Standort Barth. Immerhin mussten die Steinkohle aus dem schlesischen Revier und die Kalksteine aus Rüdersdorf bei Berlin herangeschafft werden. Der Zuckerabsatz erfolgte je nach Marktlage teilweise über Schiffstransporte. Die Gelände der ehemaligen Kraeftschen Werft und weitere Liegenschaften (zusammen ca. 70 ha) und ein Zuschuss von 30.000 Mark wurden von der Stadt bereitgestellt. Generalauftragnehmer zum Bau der Zuckerfabrik war die Maschinenfabrik A. Wernicke aus Halle (Saale). Am 24. Dezember 1892 konnte die erste Kampagne mit einer Rübenverarbeitung von 27.527 t erfolgreich abgeschlossen werden.

Die Antriebssituation 1892

Etwa 10 bis 13 Dampfmaschinen mit durchschnittlich 17 PS Leistung waren vorhanden, das heißt jeder Produktionsabschnitt hatte seine eigene Dampfmaschine. Über Gruppen- und Einzeltransmissionen wurden die einzelnen Aggregate angetrieben. Nur die schweren Maschinen wie die Kohlensäurepumpe, die Vakuumpumpe und auch größere Saftpumpen wurden von den Dampfmaschinen direkt angetrieben.

Der Abdampf wurde zum Eindicken der Zuckersäfte weiter genutzt. Die Dampfherstellung erfolgte durch 8 Zweirohrkessel mit schlesischer Steinkohle als Brennstoff mit Hand-beschickung. In der Kampagne 1913/14 wurde eine Rübenverarbeitung von 112.000 Tonnen erreicht. Dies war die Kapazitätsgrenze. Die Dampfantriebe wurden bis 1925 beibehalten. Erst dann begann die eigentliche Elektrifizierung des Betriebes. Da es zur damaligen Zeit keine Möglichkeit für eine ausreichende Stromzufuhr gab und auch ökonomische Zwänge vorlagen, wurde 1926 eine Eigenstromerzeugung in Betrieb genommen. Der Strompreis für Lichtstrom bezifferte sich um 1900 auf 60 Pfennig / kWh. Ein Zuckerfabrikarbeiter verdiente zwischen 30 und 50 Pfennig / Stunde. Es wurde ein dampfgetriebener Schwungradgenerator mit Steilrohrkessel aufgestellt. Abgesehen von einigen Inbetriebsetzungsschwierigkeiten am Dampfmaschinenteil wurde bis zur Stilllegung des Betriebes Elektroenergie unter Abwärmenutzung bereitgestellt, wobei der Steilrohrkessel, von den Wassertrommeln und dem Kesselgerüst abgesehen, in den 70er Jahren erneuert werden musste. In den Folgejahren reichte der erzeugte Strom inklusive eines 630 kW Trafos für eine weitere Modernisierung nicht mehr aus. 1965 wurde ein neues Starkstromkabel vom Umspannwerk Kenz zur Zuckerfabrik verlegt. Jetzt konnte die Trafokapazität auf 3x1000 kW vergrößert werden. Ab diesem Zeitpunkt konnte der Betrieb auch bei Störungen an der Dampfmaschine uneingeschränkt weiter produzieren.

Mit der Wende wurde die Zuckerproduktion 1990 aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Die Weiterverarbeitung der Zuckerrüben erfolgt in der Zuckerfabrik Anklam. Dieser Betrieb gehört seit 2009 dem Suiker Unie Konzern aus den Niederlanden an.

Der Schwungradgenerator wurde bereits auf Betreiben des damaligen Leiter für Produktion und Technik zu DDR-Zeiten unter Denkmalschutz gestellt. Diese Maßnahme war für den Erhalt der Maschine entscheidend, denn der Schrottbedarf der DDR-Wirtschaft konnte nie gedeckt werden. Unsachgemäße Fabrikdemontagen fügten der Maschine nach der Wende größere Schäden zu. Durch ABM und Initiativen der am 7. Dezember 1999 gegründeten „Interessengemeinschaft Barther Dampfmaschinen“ konnte der heutige Zustand erreicht werden.

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© Interessengemeinschaft "Barther Dampfmaschinen" e.V.