Mittwoch, 14. November 2001
Den Generator in Schwung gebracht
ABM-Maßnahme für ein technisches Denkmal in der früheren Zuckerfabrik von Barth
Zu den Besonderheiten einer Region gehören Zeugnisse der
Zeitgeschichte. So hat auch Barth als ehemals blühender
Industriestandort technische Denkmale aufzuweisen – eine Dampfmaschine
gehört dazu.
Barth (OZ) Gegen Ende des
19. Jahrhunderts hatte die Industrialisierung die kleine Stadt
Barth erfasst. Es kam zur Gründung der Pommerschen Eisengießerei, eine
Dampfmühle entstand ebenso wie die Molkerei, eine Jutespinnerei oder
die Fischkonservenfabrik. Und die Zuckerfabrik!
Einhundert Jahre später ist von der Zuckerfabrik
nichts mehr zu sehen. Fast nichts–denn mitten in der Industriebrache
steht ein quaderförmiges Gebäude, so als hätten es die Abrisstruppen
vergessen. Hinter den Mauern des Häuschens aber verbirgt sich ein
Schatz: Dort steht eine Dampfmaschine, die es in dieser Art wohl kaum
noch irgendwo gibt.
Schon zu DDR-Zeiten wurde der gewaltige
Schwungradgenerator unter Denkmalschutz gestellt. Von 1926 an bis weit
in die 60-er Jahre hatte dieses technische Denkmal den Strom für die
Zuckerfabrik erzeugt–anfangs für den ganzen Betrieb, später nach
weiterer Mechanisierung und Freisetzung von Arbeitskräften immerhin
noch ein Drittel der Energie.
Nach der Wende kam das Aus für die
Zuckerfabrik, dann der Abriss des Betriebes–und beinahe wäre wohl auch
die Dampfmaschine verschwunden. Glücklicherweise besann sich die Stadt
auf ihre Verantwortung zur Barther Industriegeschichte und veranlasste
eine vorläufige Sicherung. Und ein Häuflein von besessenen
Technikfreaks um Diplom-Ingenieur Siegmar Goretzky gründete einen
Förderverein zum Erhalt der Maschine.
Städtische Absichtserklärungen und rührige
Vereinsarbeit aber hinderten den Regen nicht, auf die gewaltige
Maschine zu fallen. Sie rostete vor sich hin, schien bald rettungslos
verloren.
Vor einem Jahr dann genehmigte das Arbeitsamt
eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit dem Titel „Sicherung eines
technischen Denkmals“. Für die Dampfmaschinen-Fans ein Glücksmoment,
und für drei Männer war es eine besondere Herausforderung: „Dat Ding,
dat kriegen wir nie wieder so hin!“, dachte anfangs Schlosser Dieter
Ullerich (60), der gemeinsam mit dem Maurer Manfred Redmann (57) und
Elektromonteur Lothar Rudolph (58) das Team bildete, in dessen
versierte Hände die Zukunft der Dampfmaschine gelegt wurde.
Jetzt, kurz vor dem Ende dieser ABM, blicken
die drei Spezialisten fast liebevoll auf ihre Maschine. Wenn Dieter
Ullerich bescheiden meint: „Wir haben sie doch einigermaßen auf die
Reihe bekommen“, ist das glatt untertrieben. Nicht nur Siegmar Goretzky
ist von der Konservierungs- und Restaurierungsarbeit begeistert.
Bürgermeister Löttge dankt den drei Männern, die jetzt eine blitzende
und funktionstüchtige Maschine präsentieren können. Dank gilt auch dem
BQB als Träger der Maßnahme und dem Arbeitsamt, das sogar schon ein
sich anschließendes ABM-Projekt zur Fortführung der Arbeiten genehmigt
hat.
Im Frühjahr, so verrät Vereinsvorsitzender
Goretzky, soll die Maschine regelmäßig besichtigt werden können. Bis
dahin wird noch die Schalttafel hergerichtet, und an den Wänden des nun
wasserdichten Gebäudes wird eine Dokumentation zu lesen sein.
„Und bis dahin“, so hofft nicht nur Siegmar
Goretzky, „finden sich hoffentlich auch Sponsoren für dieses einmalige
Denkmal“.
HANS-JOACHIM MEUSEL
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